Ersthelfer vor Ort

Konzept

Viele Notfälle und akute Erkrankungen erfordern schnellstmöglichstes Handeln. Wird z.B. bei einem Kreislaufstillstand innerhalb von 4 Minuten mit Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) begonnen, steigt die Überlebenschance des Patienten um das Zwei- bis Achtfache (Eberle et. al., 1986). Dabei kommt es weniger auf die Qualität der durchgeführten Maßnahmen an, sondern dass diese überhaupt begonnen werden (Diehl et al., 1989). Leider ist der Ausbildungsstand der deutschen Bevölkerung in Erster Hilfe unzureichend. Nur ein verschwindend geringer Anteil der Bevölkerung hat seit dem Erwerb des Führerscheins einen weiteren Erste Hilfe-Kurs besucht. Oftmals wird bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes deshalb entweder unzureichend - oder noch schlimmer - gar keine Erste-Hilfe geleistet. Führt man sich vor Augen, dass bei einem Herzstillstand spätestens nach 5 Minuten irreparable Hirschäden eintreten, der Rettungsdienst in Deutschland aber im Schnitt etwa 8 Minuten bis zum Eintreffen beim Patienten benötigt, wird deutlich, wie wichtig eine Verkürzung dieses sog. "therapiefreien Intervalls" (die Zeit vom Eintreten des Notfalls bis zur Einleitung der ersten qualifizierten Rettungsmaßnahmen) ist. Ein Ausbau des Rettungsdienstes (mehr Personal, mehr Fahrzeuge) ist aufgrund der gespannten Finanzlage im Gesundheitswesen zur Zeit nicht durchsetzbar.

Die Lösung dieses Problems stammt aus den USA. Dort werden als erste Reaktion ("First Response") auf einen Notruf parallel zum Rettungsdienst sog. "First-Responder" alarmiert, die aufgrund ihrer dezentralen Verteilung und ihrer örtlichen Nähe innerhalb weniger Minuten den Einsatzort erreichen konnten. Dabei kann es sich um die Besatzung eines Löschfahrzeuges, Polizisten aber auch um Müllmänner, Postboten oder engagierte Bürger handeln. Hauptziel ist, dass innerhalb kurzer Zeit ein Helfer vor Ort ist und mit qualifizierter Erster-Hilfe beginnen kann.


Vorteile der Ersthelfer-vor-Ort

  • Örtliche Nähe zum Einsatzort und damit kürzere Anfahrtswege
  • Deutliche Verkürzung des therapiefreien Intervalls
  • Ortskunde der Helfer, damit Lotsenfunktion für nachrückende Rettungsmittel
  • Schnelle qualifizierte Rückmeldung an die Leitstelle ermöglicht gezielte Nachalarmierung von Kräften

Historie

Gegen Ende der 80er-Jahre fand die Idee des "(Erst-)Helfer vor Ort" auch in Deutschland erste Anhänger. Pilotprojete zeigten die Wirksamkeit solcher Programme. 1995 wurde das System in Wuppertal bei den Löschzügen Walbrecken und Cronenberg eingeführt. Seitdem stehen in Cronenberg rund 15 speziell ausgebildete Helfer bereit, um im Notfall schnelle Hilfe zu leisten.

Örtliche Gegebenheiten

In der kreisfreien Stadt Wuppertal ist die Berufsfeuerwehr Träger des Rettungsdienstes. Außerdem sind die Hilfsorganisationen ASB, DRK, JUH und MHD in den Rettungsdienst und Krankentransport eingebunden. Zusätzlich bietet ein privater Unternehmer Dienstleistungen in diesem Segment an.

Für den Stadtteil Cronenberg hat die Berufsfeuerwehr auf der Rettungswache Süd an der Theishahner Straße zwei Rettungswagen und ein Notarzt-Einsatzfahrzeug installiert. Sind diese Fahrzeuge jedoch aufgrund eines Rettungseinsatzes oder eines Krankentransports gebunden, benötigt das nächste Rettungsmittel aus Sonnborn oder Elberfeld aufgrund der periphären Lage Cronenbergs im Schnitt etwa 12 Minuten bis zum Eintreffen beim Patienten.

Alarmierung

Die Cronenberger Ersthelfer werden im Notfall parallel zum Rettungsdienst von der Leitstelle der Berufsfeuerwehr alarmiert. Dafür hat jeder Angehörige der Gruppe eine spezielle Codierung im digitalen Meldeempfänger einprogrammiert. Die Alarmbereitschaft erfolgt - genau wie im Brandschutz - rund um die Uhr. Bei einem Einsatz werden grundsätzlich alle Angehörigen der Gruppe alarmiert, alle verfügbaren Ersthelfer begeben sich dann mit ihren Privat-PKW zur Wache und besetzen mit 2-4 Personen ein Fahrzeug. Im Durchschnitt erreichen die Cronenberger Ersthelfer so die Einsatzstelle in 5 Minuten (ab Alarmierung).

Ausrüstung

  • Notfallrucksack (Erwachsene und Kinder), enthalten u.a. Blutzuckermessgerät, Blutdruckmessgerät, Verbandmaterial, Infusionsmaterial, Intubationsmaterial, Gerät zur Messung des Sauerstoffgehalts im Blut

  • ein Satz Halswirbelsäulen-Immobilisationskragen

  • Sauerstoffflasche mit regelbarer Inhalationseinheit

  • Frühdefibrillator

  • 1 Satz Vakuumschienen für Extremitäten

Ausbildung

Zusätzlich zu dem für jeden Feuerwehrmann obligatorischen 16-stündigen Erste Hilfe-Kurs hat jeder Ersthelfer mindestens eine Ausbildung zum "Sanitäter" (früher Sanitäter C) nach den Richtlinien des Deutschen Roten Kreuzes und einen Lehrgang "Frühestmögliche Defibrillation" erfolgreich abgeschlossen. Außerdem besteht für jeden Ersthelfer die Möglichkeit an einem 24-stündigen Rettungswachenpraktikum bei der Berufsfeuerwehr teilzunehmen. Mehrere Mitglieder haben aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds zusätzlich die Qualifikation zum Rettungssanitäter bzw. Rettungsassistent.
Außerdem werden die Ersthelfer kontinuierlich weiter fortgebildet.

Einsätze

Indikation für den Einsatz der Ersthelfer-vor-Ort ist das Einsatzstichwort "RT1" (Einsatz eines Rettungswagens mit Sonder- und Wegerechten) und die Nichtverfügbarkeit der drei für Cronenberg zuständigen, am Theishahner Kreuz stationierten Rettungsmittel. Das Spektrum der gefahrenen Einsätze reicht somit von chirurgischen Notfällen über Sportverletzungen und Kreislaufproblemen bis hin zu Reanimationen.

Aufgrund der generell steigenden Einsatzzahlen im Rettungsdienst ist auch die Anzahl der Einsätze der Ersthelfer-vor-Ort von anfangs ca. 30 pro Jahr auf aktuell ca. 100 pro Jahr gestiegen.

Dokumentiert werden Einsätze mit einem Protokoll, dass auf den Empfehlungen der DIVI basiert und für unsere Gegebenheiten modifiziert wurde.

Frühdefibrillation

Seit März 2003 sind die Cronenberger Ersthelfer in der Lage, auch bei einem Kammerflimmern, einer lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung, wirksame Hilfe zu leisten. Bei einem Kammerflimmern, wie es häufig nach Herzinfarkten auftritt, "flimmern" die Herzmuskelzellen unkoordiniert, das Blut wird nicht mehr gepumpt und der Kreislauf bricht zusammen.

Die einzige bekannte wirksame Therapie des Kammerflimmers ist die sog. elektrische Defibrillation. Dabei wird mit Hilfe eines medizinischen Geräts, einem Defibrillator, ein elektrischer Strom (Schock) durch den Herzmuskel geleitet, mit dem Ziel, dass das Herz wieder regelmäßig schlägt und seine Pumparbeit wieder aufnimmt.

Hierbei spielt jedoch die Zeit zwischen Eintreten des Kammerflimmerns und der Defibrillation eine wichtige Rolle. Jede Minute Kammerflimmern verringert die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten um etwa 10 Prozent.

Daher kommt seit März 2003 bei den Cronenberger Ersthelfern ein sog. AED, ein automatisierter externer Defibrillator zum Einsatz. Dieses Gerät erkennt nach Aufkleben von Elektroden auf den Brustkorb selbständig ein Kammerflimmern und empfiehlt dem Bediener ggfs. die Abgabe eines Elektroschocks. Um die Bedienung des Geräts sicher zu beherrschen, wurden alle Ersthelfer Anfang 2003 in einem 8-stündigen Lehrgang in "frühestmöglicher Defibrillation" ausgebildet und auf das Gerät eingewiesen.

Einsatzfahrzeug

Als Einsatzfahrzeug steht seit Oktober 2005 ein Renault Kangoo zur Verfügung. Dort wurden Möglichkeiten geschaffen, die notfallmedizinische Ausrüstung sicher zu verlasten. Steht dieses Fahrzeug nicht zur Verfügung, wird auf das Mannschaftstransportfahrzeug zurückgegriffen.